Die FMX 2024, die vom 23. bis 26. April in Stuttgart stattfand, präsentierte sich erneut als das zentrale Forum für die neuesten Entwicklungen in Animation, VFX, XR (Extended Reality) und interaktiven Medien. In diesem Jahr stand die Konferenz unter dem Leitthema „Connecting Ideas“, was sich in einer Vielzahl von Diskussionen über die Verbindung zwischen Technologie, kreativer Innovation und den gesellschaftlichen sowie ethischen Implikationen dieser Entwicklungen widerspiegelte.
Ein klarer roter Faden zog sich durch die Sessions: Die Notwendigkeit, Brücken zu schlagen – zwischen Ausbildung und Industrie, zwischen technologischen Möglichkeiten und ethischer Verantwortung, zwischen kreativen Visionen und wirtschaftlicher Realität.

1. Bildung und Industrie – Wer bereitet wen auf die Zukunft vor?
Eines der spannendsten Panels der FMX 2024 war Paneurama – The Innovation Alliance of Animation Media Arts & Cultural Creative Industries, das sich mit der wachsenden Kluft zwischen akademischer Ausbildung und den realen Anforderungen der Kreativbranche auseinandersetzte.
1.1 Ausbildung: Eine veraltete Struktur in einer sich wandelnden Branche?
Die Film-, VFX- und Games-Industrie ist im ständigen Wandel, aber viele universitäre Programme hinken hinterher. Morten Thorning (Creative Viborg) betonte, dass traditionelle Ausbildungswege nicht mehr ausreichen, um den Nachwuchs für die Arbeitswelt vorzubereiten. Besonders problematisch sei die Diskrepanz zwischen dem, was Studierende für wichtig halten, und dem, was Studios tatsächlich suchen.
Silke Hassreiter (Breda University of Applied Sciences) präsentierte Forschungsergebnisse, die zeigten, dass Soft Skills wie Anpassungsfähigkeit, interkulturelle Kompetenz und die Fähigkeit, konstruktiv mit Feedback umzugehen, oft wichtiger sind als reine technische Fähigkeiten. Gleichzeitig werde von jungen Talenten erwartet, dass sie sich selbst vermarkten – Personal Branding ist mittlerweile essenziell. Das Problem: Wer sich als Rockstar positioniert, wird selten als Teamplayer wahrgenommen.
Diese Erkenntnisse spiegelten sich auch in anderen Sessions wider, die sich mit der wachsenden Unsicherheit junger Absolventen befassten. In der Diskussion Futurescape Fishbowl on Innovating in Creative Education and Industry wurde die Frage gestellt: Ist es überhaupt die Aufgabe von Universitäten, Studierende voll auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten? Oder sollten Unternehmen aktiv an der Ausbildung beteiligt sein?
Antworten darauf gibt es bereits: Programme wie das Unreal Fellowship oder Studio-Universitäts-Kooperationen wie Animal Logic Academy bieten intensive Trainingsprogramme an, in denen Studierende praxisnah lernen. Trotzdem bleibt die Frage, ob solche Initiativen die Ausnahme oder die Regel sein sollten.
2. Die Rolle der Technologie: Game Engines, AI und XR als Innovationsmotoren
Während sich die Ausbildungslandschaft verändern muss, transformieren neue Technologien bereits die Produktionsabläufe. Zwei zentrale Entwicklungen waren auf der FMX 2024 besonders präsent: Game Engines als Standardwerkzeug für Film- und Serienproduktion und Künstliche Intelligenz als kontroverse treibende Kraft.
2.1 Virtual Production und Echtzeit-Technologie
Ein entscheidender Wandel der letzten Jahre ist die Integration von Game Engines wie Unreal Engine in den Film- und TV-Produktionsprozess. Panels wie MAX-R – Mixed Augmented and Extended Reality Media Pipeline und Real-Time Dreams: Can Game Engines Unlock Story Worlds? zeigten, wie Echtzeit-Technologien nicht nur für Visual Effects, sondern für gesamte Produktionspipelines genutzt werden können.
Besonders betont wurde dabei die Fähigkeit, Szenen nicht erst in der Postproduktion, sondern bereits in der Konzeptionsphase als digitale Welten erlebbar zu machen. Das Team von The Black Whale, einem Filmprojekt, das vollständig mit Unreal Engine realisiert wurde, demonstrierte, wie Regisseure, Animatoren und Designer gemeinsam in einem digitalen Raum arbeiten können. Der Vorteil: Ästhetische und dramaturgische Entscheidungen können früh getroffen werden, anstatt nachträglich teure Änderungen vornehmen zu müssen.
Zudem gab es Innovationen im Bereich Farbkorrektur (X-Grade), in der digitalen Location-Scouting-Technologie (WebGL Studio) und bei virtuellen Produktionsmethoden mit großflächigem Tracking für VR-Erlebnisse.
2.2 Künstliche Intelligenz – Revolution oder Bedrohung?
Ein Thema, das auf der FMX 2024 nicht nur diskutiert, sondern auch emotional debattiert wurde, war der Einfluss von generativer AI auf die Kreativbranche.
Das Panel That Which Doesn’t Kill Us – AI Education Panel offenbarte eine Vielzahl von Perspektiven:
- AI als kreative Unterstützung: Viele Künstler nutzen AI für Konzeptzeichnungen, Ideenfindung und Previsualisierung. Studierende setzen MidJourney für Farbpaletten oder ChatGPT für Skriptentwürfe ein.
- AI als Bedrohung für Arbeitsplätze: Besonders im Bereich der rotoskopischen Animation und bei standardisierten Animationsaufgaben könnte AI in naher Zukunft viele Jobs ersetzen.
- AI und ethische Fragen: In mehreren Diskussionen wurde das Problem angesprochen, dass viele AI-Modelle mit urheberrechtlich geschütztem Material trainiert werden, was Fragen zur Fairness und Transparenz aufwirft.
Die generelle Haltung zur AI blieb gespalten. Während einige sie als ein weiteres Werkzeug betrachteten, das neue Möglichkeiten eröffnet, äußerten andere die Sorge, dass durch übermäßige Nutzung von AI-generierten Assets eine „kreative Inzucht“ entstehen könnte.
3. Die Verantwortung der Branche: Nachhaltigkeit und Ethik
Neben Technologie und Ausbildung spielte 2024 ein weiteres Thema eine große Rolle: Verantwortung – sei es gegenüber Menschen oder der Umwelt.
3.1 Nachhaltigkeit in der Medienproduktion
Die Diskussion um Nachhaltigkeit wurde besonders im Kontext von Virtual Production und Cloud-Rendering geführt. Auf Panels wie The Open Source Basis of VFX wurde thematisiert, wie offene Softwarelösungen zur Reduzierung von Ressourcenverschwendung beitragen können.
Ein weiteres Beispiel für nachhaltiges Denken war die Präsentation von Bomper’s Four-Day Work Week. Das walisische Studio hat eine vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt eingeführt und konnte dadurch Burnout reduzieren, die Arbeitsqualität steigern und langfristig produktiver arbeiten. Besonders spannend war die Erkenntnis, dass Kunden diese Umstellung zwar zunächst skeptisch betrachteten, sich jedoch schnell an die neue Effizienz gewöhnten.
3.2 Fairness und Diversität
Das Thema Fairness wurde nicht nur in Bezug auf AI, sondern auch in der Personalführung diskutiert. In mehreren Panels wurde die Problematik toxischer Arbeitskulturen angesprochen, die besonders in der VFX- und Animationsbranche durch knappe Deadlines und übermäßige Überstunden entstehen.
Ein Beispiel für eine Gegenbewegung war die Initiative No Asshole Hiring, die bewusst Teamplayer und Menschen mit guter Sozialkompetenz bevorzugt, anstatt nur nach technischen Fähigkeiten zu gehen. Ein weiteres Anliegen war die Förderung von Diversität, um kreative Prozesse durch vielfältige Perspektiven zu bereichern.
4. Fazit: Eine Branche im Umbruch
Die FMX 2024 hat eindrucksvoll gezeigt, wie tiefgreifend sich die Medienlandschaft verändert. Die großen Trends – die zunehmende Integration von Game Engines, die Herausforderungen durch AI und die Notwendigkeit einer besseren Ausbildung – stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern sind eng miteinander verknüpft.
Während neue Technologien riesige Chancen bieten, werfen sie auch komplexe Fragen auf:
- Wie verhindern wir, dass AI kreativen Stillstand erzeugt?
- Wie sorgen wir dafür, dass Ausbildung und Industrie sich besser aufeinander abstimmen?
- Wie schaffen wir Arbeitsbedingungen, die sowohl kreativ als auch nachhaltig sind?
Die FMX 2024 hat auf diese Fragen keine endgültigen Antworten gegeben – aber sie hat die richtigen Diskussionen angestoßen.
Für alle, die sich einen visuellen Eindruck verschaffen wollen: