Deutschland und Videogames – eine Erfolgsgeschichte? Nun ja, das kommt drauf an, wen man fragt. Einerseits gibt es hier eine wachsende Entwicklerszene, steigende Umsätze und staatliche Förderung. Andererseits bleibt Deutschland im internationalen Vergleich hinter Ländern wie den USA, Japan oder Südkorea zurück. Wo steht die deutsche Games-Branche aktuell, wo sind die größten Wachstumschancen – und was hält sie zurück?

Deutschland als Gaming-Standort: Gute Ansätze, aber Luft nach oben

Fakt ist: Die deutsche Spieleindustrie wächst. 2024 wurden über 12 Milliarden Euro Umsatz mit Games und Hardware erzielt – ein Rekord. Studios wie Crytek, Piranha Bytes oder Mimimi Games haben bewiesen, dass hier hochklassige Spiele entstehen können. Und mit der staatlichen Games-Förderung, die in den letzten Jahren massiv ausgebaut wurde, sollen auch neue Studios eine Chance bekommen.

Aber: Während Länder wie Kanada oder Polen mit starken Investitionen in ihre Games-Branche globale Erfolge feiern, scheint Deutschland noch auf der Suche nach seiner Identität. Große Blockbuster-Produktionen? Fehlanzeige. Der Markt wird von internationalen Studios dominiert, während deutsche Entwickler vor allem im Indie-Bereich und in Nischen wie Simulationen (Hallo, Landwirtschafts-Simulator!) Erfolge feiern.

Wachstumsbereiche: Wo Deutschland glänzt

Es gibt aber auch Lichtblicke. Deutsche Entwickler sind stark in folgenden Bereichen:

  • Simulationen & Strategiespiele: Anno, Die Siedler, Tropico – Games „Made in Germany“ sind oft komplex, tiefgründig und detailverliebt.
  • Indie-Spiele: Studios wie Paintbucket Games (Through the Darkest of Times) oder Maschinen-Mensch (Curious Expedition) zeigen, dass kreative Konzepte und Storytelling hier eine große Rolle spielen.
  • VR & AR-Technologien: Start-ups wie Holo-Light arbeiten an wegweisenden XR-Anwendungen, die Gaming und Industrie verbinden.

Hindernisse: Warum kommt Deutschland nicht richtig in Fahrt?

Trotz dieser Erfolge gibt es ein großes Problem: Skalierung. Viele Studios bleiben klein, weil Investitionen fehlen und bürokratische Hürden den Markt bremsen. Während in anderen Ländern Publisher und private Investoren Millionen in Studios stecken, tun sich deutsche Entwickler oft schwer, große Projekte zu stemmen. Auch der Fachkräftemangel in der Tech-Branche macht sich bemerkbar – Entwickler mit Top-Skills wandern häufig ins Ausland ab.

Ein weiteres Hindernis ist die Kultur. Während Gaming in Ländern wie Südkorea oder den USA längst als ernsthafte Industrie anerkannt ist, haftet Videospielen in Deutschland immer noch ein gewisses „Freizeitvergnügen“-Image an. E-Sports? Wird hier kaum gefördert. Große Games-Messen? Die Gamescom bleibt zwar wichtig, ist aber in erster Linie eine Werbeveranstaltung – eine wirkliche Entwicklermesse, die den kreativen Austausch fördert, fehlt.

Noch gravierender ist das Fehlen von Schnittstellen zwischen der Gaming-Branche und anderen Wirtschaftssektoren. Viele deutsche Unternehmen könnten von den Kompetenzen aus der Games-Industrie profitieren – sei es in den Bereichen Konzeption, Dramaturgie oder technischen Innovationen wie Echtzeit-3D-Engines. Doch oft fehlt es an Mut und Verständnis: Man investiert nicht in neue Ideen, weil man sie nicht kennt, und hält lieber an alten Strukturen fest. Muss erst eine neue Generation von Unternehmern heranwachsen, die selbst mit Games aufgewachsen ist, bevor hier wirklich etwas passiert?

Auch die Politik hat das Thema Gaming immer noch nicht verstanden. Dass der Deutsche Computerspielpreis vom Verkehrsministerium und nicht vom Kulturministerium organisiert wird, ist nicht nur absurd, sondern erklärt auch, warum regelmäßig der Landwirtschafts-Simulator gewinnt. Das zeigt deutlich, wie wenig Wertschätzung die Branche hierzulande erfährt – und das ist einfach nur traurig.

Deutschland braucht mehr Mut

Die deutsche Spielebranche hat Potenzial, aber sie muss mutiger werden. Mehr Förderung für große Produktionen, bessere Bedingungen für Entwickler und ein stärkeres Bekenntnis zur Gaming-Kultur wären dringend nötig. Denn Deutschland kann mehr sein als nur das Land der Wirtschaftssimulationen. Es wird Zeit, das auch international zu zeigen.