
Die FMX 2025, die vom 6. bis 9. Mai einmal mehr die Tore in Stuttgart öffnete, stand ganz im Zeichen einer tiefgreifenden Transformation. Unter dem Motto „Rhythm of Change“ versammelte sich die internationale Fachwelt für Animation, VFX, XR und interaktive Medien, um nicht nur die neuesten technologischen Errungenschaften zu bestaunen, sondern vor allem, um die fundamentalen Verschiebungen zu diskutieren, die die Kreativlandschaft derzeit erschüttern und neu formen. Es war spürbar, dass es in diesem Jahr um mehr ging als nur um inkrementelle Fortschritte; es ging um das Navigieren in einer Zeit des Umbruchs, um das Finden eines neuen Gleichgewichts zwischen menschlicher Schöpfungskraft und den rasanten Entwicklungen, insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Mit Paul Debevec, dem Chief Research Officer bei Netflix’s Eyeline Studios, als Program Chair, versprach die Konferenz von Beginn an tiefgreifende Einblicke und wegweisende Diskussionen. Ein Versprechen, das eingelöst werden sollte.
Die Atmosphäre war geprägt von einer Mischung aus Aufbruchstimmung und kritischer Reflexion. Die Gänge des Hauses der Wirtschaft summten vor Gesprächen über neue Pipelines, disruptive Technologien und die sich wandelnde Rolle des Kreativen. Es war eine FMX, die dazu einlud, etablierte Denkmuster zu hinterfragen und gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie die Branche den „Rhythm of Change“ nicht nur passiv erleben, sondern aktiv mitgestalten kann. Die folgenden Eindrücke und Gedanken sind ein Versuch, die Essenz dieser intensiven Tage einzufangen, die vielen spannenden Talks zu bündeln und die persönlichen Highlights eines Besuchs zu teilen, der lange nachwirken wird.
Die KI-Revolution im Praxistest: Werkzeug, Herausforderung oder kreativer Katalysator?

Das Thema Künstliche Intelligenz zog sich wie ein roter Faden durch nahezu alle Bereiche der FMX 2025 und spiegelte die Ambivalenz wider, mit der die Branche dieser Technologie begegnet. Es war weniger eine Frage des „Ob“, sondern vielmehr des „Wie“. Wie können wir KI so in unsere Workflows integrieren, dass sie menschliche Kreativität erweitert, statt sie zu ersetzen? Diese Frage stand im Mittelpunkt vieler Präsentationen, persönlicher Gespräche und verdeutlichte den Tenor: „Künstler wollen ein Werkzeug, das sie nicht ersetzt“. Die Erkenntnis, dass KI einen „enormen Wert“ schaffen kann, indem sie Dinge ermöglicht, die „früher nicht oder nur unter hohen Kosten realisierbar waren“, wurde als „Raketentreibstoff für kleine Künstler“ gefeiert. Es wurde deutlich, dass die Fähigkeit, KI sinnvoll in den eigenen Workflow zu implementieren, zunehmend zum Wettbewerbsvorteil wird. „Die Gewinner sind diejenigen, die KI in ihrem Workflow anwenden können“.
Aliena Leonhard von Relionite UG beleuchtete in ihrem Vortrag „Creativity and Artificial Intelligence – How to Use Cutting Edge Technology in Creative Projects“ die technischen Hintergründe und praktischen Anwendungsmöglichkeiten von KI-Software. Sie betonte die Wichtigkeit, die Werkzeuge zu verstehen, um sie optimal nutzen zu können, und entmystifizierte Begriffe wie „Prompting“ und „Priming“. Die Diskussionen zeigten aber auch die Notwendigkeit für Kreative, proaktiv zu kommunizieren, wie KI sie befähigt, anstatt Ängste zu schüren, denn „Angst ist die Abwesenheit von Wissen“. Martin Nebelong, ein Künstler und Creative Technologist, ging in „Creativity in an Age of Generative AI“ noch einen Schritt weiter und erforschte, wie menschliche Kreativität und generative KI sich auf möglichst sinnvolle Weise ergänzen können. Er plädierte dafür, traditionelle Techniken wie Malerei, 3D-Skulptur und Animation als Basis für KI-gestützte Workflows zu nutzen, um die kreative Kontrolle zurückzugewinnen, die durch reine Text-Prompts oft verloren geht.
Doch neben den kreativen Möglichkeiten wurden auch die ethischen und rechtlichen Implikationen intensiv diskutiert. Die Frage des Urheberrechts bei KI-generierten Inhalten und die Nutzung von Trainingsdaten waren zentrale Punkte. Fakten wie „Text- und Data-Mining ist in Deutschland erlaubt, wenn der Rechteinhaber die Rechte nicht reserviert hat“ im Gegensatz zum „Fair Use“-Ansatz in den USA, verdeutlichten die komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen. Ein wichtiger Ratschlag, der immer wieder auftauchte: „Wenn man generative KI als Werkzeug nutzt, sollte man den Prozess immer dokumentieren“. Dies unterstreicht das Bestreben der Branche, Transparenz und Nachvollziehbarkeit im Umgang mit KI zu gewährleisten. Die FMX 2025 machte klar, dass die Integration von KI weit mehr ist als eine technische Implementierung; sie erfordert einen tiefgreifenden Wandel in Denkweisen, Ausbildung und der Definition des kreativen Schaffens.
Von der Idee zum Spiel: Einblicke in die Indie-Szene und die Kunst des Durchhaltens
Neben den großen technologischen Wellen bot die FMX 2025 auch wertvolle Einblicke in die oft herausfordernde Realität von Indie-Entwicklern. Der Talk „Founding and Funding an Indie Game Studio“ mit Dominik Schön von Kaleidoscube und Iris Harr von der MFG Baden-Württemberg war hier besonders aufschlussreich. Die Erfahrungen von Kaleidoscube, von der Gründung nach dem Studium bis zur erfolgreichen Veröffentlichung von Titeln wie ‚A Juggler’s Tale‘ und dem in Produktion befindlichen ‚RECUR‘, zeigten eindrücklich den langen Atem und die strategische Nutzung von Förderprogrammen (MFG, BWMK, Epic MegaGrants), die für das Überleben und Wachstum kleiner Studios essenziell sind. Es wurde klar, dass neben der kreativen Vision auch unternehmerisches Geschick, die Fähigkeit, finanzielle Durststrecken beispielsweise durch Freelancing/Bootlegging zu überbrücken, und eine langfristige Finanzplanung für die Portfolioentwicklung unerlässlich sind. Die Präsentation der Games BW Förderprogramme durch die MFG Baden-Württemberg unterstrich die Bedeutung regionaler Unterstützungssysteme für die Stärkung der Games-Branche und die Realisierung innovativer Projekte. Dieser Talk war ein wichtiger Realitätscheck und gleichzeitig eine Ermutigung für alle angehenden Entwickler und Gründer im Publikum.
Immersive Welten und die Zukunft des Live-Entertainments: Wenn Realität und Virtualität verschmelzen
Ein weiterer Schwerpunkt der FMX 2025 lag auf der rasanten Entwicklung immersiver Technologien und deren Einfluss auf das Live-Entertainment. Das Projekt „GOLDBERGS DREAM“, ein XR-Konzerterlebnis, das Bachs Goldberg-Variationen mittels KI, Spatial Audio, Robotik und Projection Mapping neu interpretierte, war ein faszinierendes Beispiel dafür, wie klassische Kunstformen durch digitale Innovationen transformiert werden können. Jana Günther (SUPERVOLT) und Moritz Mayerhofer (studioNICE creative) gaben Einblicke in die komplexen kreativen und technischen Prozesse hinter diesem ambitionierten Projekt, das die Grenzen der klassischen Performance verschob und Fragen nach Bewusstsein und der Interaktion von Mensch und Maschine aufwarf. Die 82 Minuten computergenerierte Animation, kombiniert mit Robotik und Spatial Audio von Experten wie Daniel Deboy (DELTA Soundworks), schufen ein Erlebnis, das die Zuschauer tief in eine neue Form des Konzerterlebnisses eintauchen ließ.

Ilija Brunck von Woodblock untersuchte in „How animation is shaping the future of immersive live entertainment“, wie der wachsende Appetit des Publikums auf kollektive Live-Erlebnisse die Nachfrage nach animiertem Content für immersive Venues weltweit antreibt. Er beleuchtete eindrucksvolle Performances, technische Herausforderungen und zukünftige Möglichkeiten für den Einsatz von Animation in diesem expandierenden Feld. Auch der Talk „Filming in the Metaverse“ deutete in diese Richtung: die Erprobung von Toolkits für die Zusammenarbeit in verschiedenen Game-Engines, Motion Capture in Verbindung mit VR und die Vision, dass Schauspieler, Kameraleute und Regisseure sich in einer virtuellen Welt treffen, um Filme aufzunehmen, zeugen vom Potenzial, ganze Produktionsprozesse in virtuelle Räume zu verlagern – vor allem für die Themen „Virtual Production“ und der weiter fortschreitenden Verschmelzung von Game- und Filmtechnologien.
Technologische Konvergenz: Wenn KI, Echtzeit und traditionelles Handwerk neue kreative Landschaften formen
Christopher O’Reilly von den Nexus Studios nahm die Zuhörer in „New Forms, New Worlds: How AI, Real-Time, and Traditional Craft Are Shaping New Creative Landscapes“ mit auf eine Reise durch die preisgekrönten Projekte seines Studios. Er demonstrierte eindrucksvoll, wie die Konvergenz von KI, Echtzeit-Technologien und traditionellem Handwerk bahnbrechende Erlebnisse in Film, immersiven Umgebungen und Live-Events ermöglicht. Von Features wie „The House“ und Billie Eilishs „Happier Than Ever“ bis hin zu Spektakeln wie UFC Noche at Sphere in Las Vegas und ABBA Voyage wurde deutlich, wie Nexus Studios künstlerische Intention und technologische Innovation verbindet, um die Grenzen des Möglichen immer wieder neu zu definieren. Die Arbeit an XR-Kollaborationen für Headspace, Kung Fu Panda und die NBA sowie innovative KI-Anwendungen zeigten die Bandbreite und Tiefe dieser technologischen Fusion.
Zum Thema Animation als Handwerkskunst war auch der Vortrag zum Thema „Passion Animation Studios“ interessant, vor allem, dass Projekte wie „Rollin‘ Wild“ / „Rollin‘ Safari“ – obwohl schon 2013 entstanden – nicht nur ein „perfektes erstes Projekt“ sein können, sondern auch nachhaltig erfolgreich bleiben, den Stil eines ganzen Studios prägen und bis heute Relevanz behalten können.
Das menschliche Element im digitalen Zeitalter: Sound, Kollaboration und die Essenz des Geschichtenerzählens

Trotz aller technologischen Fortschritte wurde auf der FMX 2025 immer wieder die Bedeutung des menschlichen Faktors betont. Gurwal Coïc-Gallas erläuterte in „The Sound of Flow“, wie Sounddesign in einem dialoglosen Film wie „Flow“ von Gints Zilbalodis zur emotionalen Immersion des Publikums beitragen kann. Seine Ausführungen machten deutlich, dass Sound weit mehr ist als nur eine auditive Ebene – er ist ein mächtiges Werkzeug, um emotionale Tiefe zu erzeugen und die Zuschauer unmittelbar an den Erfahrungen der Charaktere teilhaben zu lassen.
Die Präsentation von „Crew Together XR“ durch Polycular GmbH zeigte, wie immersive XR-Missionen Teamwork, Kommunikation und Entscheidungsfindung in einer Zeit hybrider Arbeitsmodelle verbessern können. Solche Tools, die darauf abzielen, Vertrauen, Abstimmung und gemeinsames Verständnis zu fördern, sind in einer zunehmend vernetzten und oft auch fragmentierten Arbeitswelt von unschätzbarem Wert. Die Möglichkeit, solche Erfahrungen live zu demonstrieren und verschiedene Missionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten (klare Kommunikation unter Druck, Empathieaufbau, ethische Dilemmata) vorzustellen, verdeutlichte das Potenzial von XR für Teamentwicklung und Organisationskultur.
Fazit: Im Rhythmus des Wandels die Zukunft gestalten

Die FMX 2025 war mehr als nur eine Konferenz; sie war ein Seismograph für die tiefgreifenden Veränderungen, die die Medienlandschaft derzeit erfährt. Das Leitthema „Rhythm of Change“ war allgegenwärtig und spiegelte sich in den Diskussionen über Künstliche Intelligenz, neue Geschäftsmodelle, die Konsolidierung der Industrie und die sich ständig weiterentwickelnden Produktionstechnologien wider. Die Herausforderung, so wurde deutlich, besteht darin, in diesem dynamischen Umfeld einen eigenen Rhythmus zu finden. Einen Rhythmus, der es ermöglicht, technologische Innovationen zu nutzen, ohne die menschliche Kreativität, Wahrnehmung und Urteilskraft aus den Augen zu verlieren.
Die FMX 2025 zeigte dabei vor allem, dass die Branche vor komplexen Fragen steht:
- Wie können wir sicherstellen, dass KI und andere neue Technologien die Ziele und Absichten der Kreativen unterstützen und erweitern, anstatt sie zu dominieren?
- Wie navigieren wir die ethischen und rechtlichen Untiefen, die mit diesen Technologien einhergehen, insbesondere im Hinblick auf Urheberrecht und Datennutzung?
- Wie können Ausbildung und Industrie besser zusammenarbeiten, um Talente auf eine sich ständig wandelnde Arbeitswelt vorzubereiten?
- Und wie schaffen wir nachhaltige und faire Arbeitsbedingungen, die sowohl kreative Exzellenz als auch das Wohlbefinden der Menschen fördern?
Die FMX 2025 hat keine endgültigen Antworten auf all diese Fragen geliefert, aber sie hat, wie schon in den Vorjahren, die richtigen Diskussionen angestoßen und eine Plattform für den Austausch von Ideen und Inspiration geboten. Sie hat gezeigt, dass die Zukunft der Kreativbranche in der intelligenten Verbindung von Technologie und menschlicher Ingeniosität liegt, im Mut, neue Wege zu gehen, und in der Fähigkeit, den „Rhythm of Change“ nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu begreifen, die Zukunft aktiv zu gestalten.
Es bleibt die Aufgabe jedes Einzelnen und der Branche als Ganzes, diesen Rhythmus aufzunehmen und in kreative Energie umzuwandeln.